Von Nord nach Süd auf dem Eis: Der schneereiche Norden

 
Anreise  
Olchon und Westküste


Start der Tour im Hafen von Sewerobaikalsk.

Entlang der Westküste bis Kap Kotelnikowskij

Bei sonnigem Wetter starten am Hafen von Sewerobaikalsk. Wir radeln an der Kaimauer entlang und bewundern die rostigen Schiffe, die hier festgefroren auf den Frühling warten. Wir folgen einer Autospur, in der der Schnee auf dem Eisgut festgepresst ist und sich daher sehr gut radeln lässt. Wir beschließen, zunächst an der Westküste zu bleiben, da wir uns noch das Dorf Baikalskoje ansehen möchten.

Nachmittags ziehen dann Wolken auf, die Sicht wird schlecht, und es beginnt sogar zu schneien. Südlich von Sewerobaikalsk ist die Fahrspur dann plötzlich nur noch sehr wenig benutzt, und wir müssen immer wieder mit der Schneeauflage kämpfen. Es gibt öfters auch Spalten mit Eisaufwölbungen und Packeisfelder, die zu umgehen sind. Manchmal tritt an den Spalten auch Wasser aus, das zwar schnell wieder gefriert, aber dennoch muss man beim überqueren der Spalten gut aufpassen. Nasse Füße können wir nicht gebrauchen...


Aufgewölbtes Eis an einer Spalte

Spalte im Eis: Wo gehts am besten rüber?

Blaue Eisschollen entlang der Küste

Die erste Nacht auf dem Eis wurde dann auch zum unvergesslichen Eindruck: Wir bauten das Zelt in der Nähe eines Packeisfeldes auf, im Schneetreiben und bei einbrechender Dunkelheit erschien uns der Platz so schlecht nicht. Die aufgeworfenen Eisschollen an einer Spalte in der Nähe des Zeltes ließen sich leicht in topf-gerechte Stücke zerkleinern und dann zu leckerem Wasser schmelzen. Kaum war der Lärm des Kochers verstummt, der Magen gefüllt und wir in unsere Schlafsäcke gekrochen, hörten wir die Eisgeräusche: Wie bei einem Gewitter, nur von irgendwo tief unter uns kommend, donnerte, grollte, knackte und knallte es die ganze Nacht. Immer wieder wurde auch das Zelt durch leichte Erschütterungen geschüttelt, so dass ich im Traum schon mein Fahrrad vom Eis zermalt wähnte oder bei jeder Erschütterung glaubte, eine Spalte würde sich nun genau neben unserem Zelt auftun. Natürlich ist nichts passiert, ausser dass es nachts ordentlich geschneit hatte, wir schlecht geschlafen haben, und wir im Neuschnee am nächsten Morgen einerseits die Fahrspur kaum noch erkannten, und zum anderen nun noch mehr mit der Schneeauflage kämpfen mussten.


Der Schnee ist zu tief zum radeln...

Heiße Quellen bei Kotelnikovskij

Eisschollen am Kap Kotelnikovskij

In den nächsten drei Tagen radeln wir dann bis zum Kap Kotelnikovskij. Dabei gibt es für uns jeden Tag mehr oder weniger ausgedehnte Schiebepassagen, entweder weil man ein Packeisfeld umgehen muss, oder weil die Schneeauflage auf der Fahrspur so weich ist, dass man genausogut auch schieben kann. Immer wieder faszinieren uns die leuchtend blauen Eisschollen, die entlang der Küste aufgetürmt sind und auch bei trübem Wetter schöne Fotomotive abgeben.

Menschen begegnen wir kaum auf dieser Strecke, es fahren auch kaum Fahrzeuge auf unserer Fahrspur. Möglicherweise ist das Eis tatsächlich noch zu dünn für Autos oder es sind hier an der Westküste zu viele Spalten, die für die Fahrzeuge nicht zu überwinden sind. Wir treffen eine Eisfischer, dem wir ein paar Infos über den Zustand der Fahrspuren weiter südlich entlocken wollen, aber so richtig konkret kann oder will er sich nicht äußern. Wir werden also selber unseren Weg finden müssen.

Überquerung des Sees

Nachdem wir einerseits auch die einsame Ostküste des Baikalsees kenennlernen möchten und andererseits von dem Eisfischer die Info bekamen, dass entlang der Ostküste eine gute Piste nach Ust Bagusin führt, beschließen wir, den See zwischen Kap Kotelnikovskij und Kabanij zu überqueren. An dieser Stelle ist der See etwa 40 km breit, das sollte auch zu schaffen sein, wenn wir uns nicht auf Autospuren verlassen können und "quer-eis-ein" drauflosfahren müssen.


Die Schneeauflage erlaubt gerade noch zu radeln

Ein Packeisfeld: Wo kommt man durch?

Eis-Straße: Eine glatte "Naht" an einer Spalte

So schlagen wir also einen Kurs von etwa 120° ein, und radeln nun ohne "Fahrspur". Die etwa 5cm dicke Schneeauflage erlaubt das Radeln gerade noch, allerdings mit Krafteinsatz und im 1. Gang. Dennoch geht es einigermaßen zügig voran. Eindrucksvoll erhebt sich die Kulisse des Baikalgebirges hinter uns, und vor uns erkennen wir bereits die Berggipfel des Bargusin-Gebirges. Beide Gebirgszüge sind fast 3000 m hoch und dementsprechend prominent sichtbar von der flachen Seeoberfläche aus.


Nur der See und wir: Zelten mitten auf dem Baikalsee.

Die erste Nacht mitten auf dem See ist sehr stürmisch, wir müssen das Zelt zusätzlich mit Hilfe der Fahrräder abspannen. Der kalte Nordwind bläst auch am nächsten Morgen noch sehr kräftig und verleitet uns dazu, unseren Kurs leicht nach Süden abzuändern, um den Wind nicht seitlich im Gesicht zu haben.
Zwischendurch treffen wir auf einzelne Autospuren, denen wir dann ein Stück folgen, sie aber wieder verlassen, weil sie durch Schneeverwehungen für uns unbrauchbar sind. Es ist deutlich einfacher, sich eine eigene Spur duch den Schnee zu pflügen. Zwischendurch gibt es dann auch immer wieder Abschnitte, auf denen man auf fast blankem Eis super radeln kann - allerdings kommt das nächste Packeisfeld, eine Spalte oder ein schneebedeckter Abschnitt wieder viel zu früh...

Baikal-Ostküste

Nach zwei Übernachtungen mitten auf dem See erreichen wir die Ostküste und finden auch tatsächlich zunächst eine recht brauchbare Fahrspur, der wir nach Süden folgen. Dennoch wird die Strecke entlang der Ostküste bis nach Ust-Bargusin zum schwierigsten Teil der Tour.


Schiebepasage

Bargusin-Gebirge und Eis

Fahrspur im Schnee

Die angeblich so viel befahrene Fahrspur entpuppt sich schnell als größtenteils unbrauchbar: zu weich (mehliger Schnee), zu wenig befahren, der Schnee nebendran zu tief für Fahrräder. Wir wundern uns, warum nicht mehr Verkehr auf dieser Strecke ist, so führt doch hier entlang die kürzeste Verbindung vom Norden des Baikalsee bis nach Ulan Ude... Es bleibt uns nichts anderes übrig, als mehr schiebend als fahrend einen Weg zu suchen.

Die felsige Küste ist dicht bewaldet mit Lärchen und Kiefern, Abschnitte mit Steppenlandschaft gibt es hier nicht. Es gibt auch kaum Siedlungen, lediglich Dawsha, ein Ort im Schutzgebiet des Bargusin Sapovednik ist ganzjährig bewohnt... Diese einsame Winterlandschaft hat definitiv ihren Reiz, und wir erfreuen uns an den in der Sonne leuchtenden Eiszapfen, die von den Felsen der Küste hängen.

Schließlich haben wir eine brauchbare Autospur gefunden, die in unsere Richtung führt, breit genug ist für ein Rad mit Packtaschen und fest genug, um bei voller Konzentration langsam darin fahren zu können. Die Enttäuschung kommt jedoch wenig später: Die Fahrspur endet an einer Waldarbeiter-Hütte. Immerhin können wir in dieser Hütte übernachten und verschieben die Suche nach einer geeigneten Spur auf den nächsten Tag.

Der nächste Tag wird zunächst der Tiefpunkt der Tour: Wir finden keine wirklich viel genutzte Spur nach Süden, immer nur einzelne Fahrzeugspuren, und wer weiß, wo die dann wieder an einem Angel-Loch oder sonst wo enden. Gleichzeitig sind wir jedoch auf ordentliche, feste Autospuren angewiesen, denn der Schnee ist hier mit über 10 cm definitiv zu tief zum Radeln oder Schieben. Schließlich halten wir uns (schiebend) an ältere, durch den Sturm vor einigen Tagen zugewehte Spuren.

Die Strategie erweist sich als erfolgreich, wenn auch unsere Geduld und das Durchhaltevermögen hart auf die Probe gestellt werden. Am späten Nachmittag gelangen wir plötzlich wieder auf eine gut sichtbare "Piste", die eindeutig nach Ust Bargusin führt. An diesem Tag schaffen wir 25 km, davon sicher 20 km geschoben...


Ostküste mit Lärchen-Kiefern Wald

Strahlungnebel an einem kalten Morgen

lange Spalte im Eis
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"Heilige Nase" und Ust Bargusin

Auf der Fahrspur kommen wir jetzt sehr gut voran, es ist allerdings auch sehr kalt. Die letzte Nacht war mit -40°C auch die kälteste Nacht bisher. Immerhin ist die Daunenjacke nicht umsonst dabei...

Bei schönem, kaltem und sonnigem Wetter radeln wir von Norden her in die Chivrkujskij-Bucht ein, die die Insel "Swjartoy Nos", die heilige Nase, von der Ostküste trennt. Entlang der Ostküste der "Heiligen Nase" radeln wir nun nach Süden und überqueren dann die flache Nehrung, die die "Heilige Nase" mit dem Festland verbindet. Die Fahrspur führt nun dicht an der Küste entlang, so dass wir die bizarren Eiszapfen an den Felsen bewundern können.


Felsküste, mit Eiszapfen
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Eine der Inseln in der Chivrkujskij-Bucht

Zeltplatz an der Nehrung bei Ust-Bargusin

Wir radeln vorbei an kleine Fischerdörfern, die jetzt im Winter einen sehr verschlafenen Eindruck erwecken. Boote sind im Hafen festgefroren und mit dicker Schneeschicht bedeckt, und auch viele der hübschen Holzhäuser scheinen nur im Sommer bewohnt zu sein, den verschlossenen Fensterläden nach zu urteilen.

Die nächste fahrtechnische Herausforderung erwartet uns, als die Schneepiste ein paar Kilometer nördlich der Nehrung plötzlich an Land weiterführt, ein steiler Anstieg mitten im Wald mit inbegriffen. Die Anstrengung auf weicher Schneepiste mit steilen, zerfahrenen Anstiegen lässt uns ins Schwitzen kommen und die ausgedampfte Feuchtigkeit gefriert in der kalten Außenluft auf der Oberfläche unserer Kleidung. Auf der Passhöhe bürsten wir uns gegenseitig ab, bevor wir uns auf die ebenso steile Abfahrt machen.


Holzhäuser in Ust-Bargusin

Boot im Hafen von Ust-Bargusin

Hafenanlage von Ust-Bargusin

In Ust-Bargusin gönnen wir uns eine Übernachtung in einer Unterkunft und ergänzen ein paar Dinge im Proviantvorrat, bevor wir den See erneut in Richtung der Insel Olchon überqueren. Wir hoffen, die schneereichen Gebiete nun hinter uns gelassen zu haben...

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